Otto Hostettler's Blog

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Konsumenten wehren sich gegen das Schwein im Kalb

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In Deutschland sorgen Konsumenten auf einer neuen Internetplattform für Transparenz bei Lebensmitteln. Sie entlarven Mogelpackungen der Industrie.

Die Etikette verspricht oft mehr als das Produkt hält: Kalbswürste mit Schweinefleisch, als Fruchtsaft verpacktes Zuckerwasser, Pizza mit künstlichem Käse. Jetzt können Konsumenten in Deutschland auf einer neuen Internetplattform Mogelpackungen melden – was die Hersteller unter Druck setzt. In der Schweiz will niemand Geld für ein solch offensichtlich wirkungsvolles Projekt aufwerfen.

Die Idee ist einfach und bestechend: Auf der Internetplattform www.lebensmittelklarheit.de können Konsumenten Produkte melden, die ihrer Ansicht unverständlich, beschönigend oder gar täuschend sind. Gemeint sind so genannte Mogelpackungen. Die Plattform überprüft die Hinweise und fordert die Hersteller zu einer Stellungnahme auf – anschliessend landet das Produkt und die Rechtfertigung der Lebensmittelindustrie auf der öffentlichen Internetseite. Jedermann kann sich so selber ein Bild über die oft beschönigende Produkteinformation machen.

Der Hintergedanke: Hersteller sollen die Information über die Zutaten ihrer Produkte verbessern, den Inhalt transparenter auflisten und von täuschender Anpreisung absehen. Falls sie das nicht tun, laufen sie Gefahr, mit ihren Mogelpackungen in der Öffentlichkeit negativ dazustehen.

Hinter dem Projekt stehen der Bundesverband der Verbraucherzentrale und die Verbraucherzentrale Hessen. Finanziert wird http://www.lebensmittelklarheit.de auch von der deutschen Regierung, die die Plattform in den ersten beiden Jahren mit 775’000 Euro unterstützt. Damit wird das Projekt quasi zu einem staatlichen Vorhaben. Ins Zeug legte sich sogar Bundesverbraucherschutz-Ministerin Ilse Aigner: «Das Portal steht für umfassende Verbraucherinformation und mehr Transparenz.» Mit http://www.lebensmittelklarheit.de wolle man die Information der Bürger verbessern und «eine Diskussion über bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln» anstossen.

In der Schweiz ist ein solches Projekt zurzeit nicht vorstellbar. Hierzulande gibt es weder ein «Departement für Konsumentenschutz» noch ein «Bundesamt für Konsumentenschutz». Die einzige staatliche Stelle, das Büro für Konsumentenfragen, ist personell derart schwach besetzt, dass es der Lebensmittelindustrie bei weitem nicht die Stange halten kann. Die Stiftung für Konsumentenschutz signalisierte im «Tages-Anzeiger», dass sie weder über das Geld noch über die nötige Ressourcen verfüge, ein solches Portal für die Schweiz aufzubauen.

Für einen grossen Teil der Produkteinformation ist hierzulande das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zuständig. Doch von dieser Stelle ist wenig Engagement für die Konsumenten zu erwarten. Bei der Lebensmittelkennzeichnung etwa hatte sich das BAG mit wenig plausiblen Gründen stets gegen eine so genannte «Ampellösung», also eine farbliche Kennzeichnung der Lebensmittelinformationen, gewehrt und wartete mit einer Regelung so lange, bis es zu spät war und die Industrie mögliche andere Kennzeichnungen ad absurdum führte.

So kann in der Schweiz die Lebensmittelindustrie weiterhin übersüsste und fetthaltige Produkte in den schönsten Tönen anpreisen. Bei Getränken dürfen mit dem staatlichen Seegen sogar fruchtige Bilder die Etikette zieren, auch wenn der Anteil Früchte nur im Promillebereich liegt. So etwa der von der Migros mit tropischen Früchten als «Mehrfruchtsaft mit Quellwasser» angepriesene Drink «Oasis», der defacto Zuckerwasser mit Fruchtgeschmack ist: Der Anteil Mango liegt gerademal bei 0,1 Prozent, derjenige der Passionsfrucht bei 0,07 Prozent.  Der Fruchtgeschmack entsteht durch Apfel- und Orangensaft (5,5  Prozent bzw. 6,4 Prozent).

Die Etikette wurde inzwischen geringfügig angepasst, das Produkt heisst jetzt neu «Coctail Tropical» und «Tafelgetränk mit Fruchtsaft». Der Anteil Passionsfrucht wurde um minime 0,03 Prozent auf 0,1 Prozent aufgewertet. Retouchen hat nach einer Beobachter Recherche auch Coca-Cola vorgenommen. Der Nestea «red fruit» mit einem Anteil von 0,3 Prozent an Himberen, Erdbeeren und Heidelbeeren (und 0,09 Prozent Tee-Extrakt) wird jetzt im Internet nicht mehr mit dem Slogan «mit vielen roten Beeren» angekündigt. In etwas anderen Worten heisst es jetzt: «Die voll-fruchtige, beerenstarke Mischung aus roten Früchten» und «Der ultimative Frische-Kick für alle, die es intensiver lieben.»

Na ja. Die Realität sieht anders aus: Eine 5-dl-Flasche Nestea «red fruits»  enthält 39 Gramm Zucker, das entspricht fast 10 Stück Würfelzucker.

Written by Otto Hostettler

27. Juli 2011 at 08:59

Ernährungslehre à la Nestlé

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Nestlés brilliante PR-Abteilung: Öffentliche Institutionen wie das Spitalzentrum Biel verbreiten eine fragwürdige Werbe-Broschüre des Nahrungsmittelmultis.

pyramideLehrerinnen predigen die wissenschaftlich abgestützte Ernährungspyramide mittlerweile in jedem Kindergarten, jetzt macht sich auch Nestlé die breit akzeptierte Darstellung von gesundem Essen zu Nutze. Aber: Der Nahrungsmittelkonzern hat die Ernährungspyramide kurzerhand zu Firmenzwecken optimiert. Entstanden ist eine ratgebermässig aufgemachte PR-Broschüre unter den Titel «Verdauung gut – alles gut!».

Die wissenschaftliche Ernährungslehre stellt der Konzern so dar, dass man sich mehr oder weniger ausschliesslich mit Nestlé-Produkten ernähren soll kann. Die Pyramide basiert auf Wasser (Vitel, Contrex, San Pellegrino), Bouillon (Maggi) oder Kaffee (Nestcafé-Gold, Incarom, Nespresso). Bei der Ebene mit den Früchten und Gemüsen finden sich die Tiefkühlprodukte aus eigenem Haus (Findus). Weiter oben sind die Cornflakes (Nestlé-Fitness), Joghurt (LC1), Polenta (Maggi) oder Hamburger (Findus). Natürlich fehlen auch Mayonnaise (Thomy) und Süssgetränke (Nestea) nicht. Auf dem Gipfel platzierte Nestlé Cailler-Schokolade, Staldencrème, Pralinato-Glacé und ähnliches.

Auf der schönen Grafik steht aber kein Wort vom hohen Zuckergehalt der Cornflakes, kein Wort vom hohen Salzgehalt in den Fertigprodukten, kein Wort vom übermässigen Fett in der Mayonnaise und kein Wort von der verkappten Zuckerbombe Eistee. Würde Nestlé die ungesunden Nährwerte ausserdem mit dem Ampelsystem darstellen, wären auf den Produkten der Nestlé-Ernährungspyramide gleich eine Reihe roter Punkte zu vergeben. Doch die Nahrungsmittel-Industrie sträubt sich bekanntlich weiterhin, den Konsumenten übersichtliche Informationen zu liefern. Viel lieber stellt die Industrie ihre Produkte als gesund dar, statt den Kunden reinen Wein einzuschenken.

Ganz offensichtlich fallen auch Fachleute auf die als sachliche Übersicht aufgemachte PR herein. Zu finden ist das Nestlé-Produkteprogramm nämlich auch in öffentlichen Spitälern, beispielsweise im Spitalzentrum Biel. Mitten in den Faltblättern der zahlreichen nichtkommerziellen Beratungsstellen für Herz, Ohren, Augen, Übergewicht, Diabetes, werdende Mütter etc.

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Written by Otto Hostettler

14. August 2009 at 11:25

Eile mit Weile im BAG

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© Beobachter 2008/Otto Hostettler

Zucker- und Fettanteile in angeblich gesunden Produkten werden oft missverständlich deklariert. Das Bundesamt für Gesundheit lässt sich Zeit im Kampf gegen die heimlichen Kalorienbomben.

Sind Frühstücksflocken, Joghurt und Milchschnitten wirklich so gesund, wie die Hersteller behaupten? Viele Produkte sind wahre Kalorienbomben, die aufgedruckten Zucker- und Fettangaben basieren auf unrealistisch kleinen Portionen und werden auf der Basis einer höheren Tagesdosis berechnet, als die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt.

Trotz mehrjährigen Abklärungen schiebt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) den Entscheid darüber, wie Konsumenten über versteckte Dickmacher informiert werden sollen, vor sich hin. Es favorisiert neuerdings ein Label, das nicht etwa ungesunde, sondern unbedenkliche Lebensmittel kennzeichnen soll. In Neuseeland, Belgien und den USA werden solche Logos verwendet. Sie zeigen ein O.-K.-Zeichen in einem grünen Punkt und prangen absurderweise gar über dem Gemüse- oder Früchteregal.

Heinrich von Grünigen, Präsident der Adipositas-Stiftung: «Ein solches Signet verhindert schlechte Produkte nicht. Eine BAG-Regelung müsste wesentlich weiter gehen.»

Weiterlesen im Beobachter 24/2008

Written by Otto Hostettler

26. November 2008 at 11:35