Otto Hostettler's Blog

Archive for the ‘Politik’ Category

Geldregen im starken Nebel

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Innerhalb weniger Wochen verteilte die Förderagentur KTI des Bundes 2011 rund 100 Millionen Franken. Jetzt muss sie dem Beobachter sagen, welche Firmen wieviel Geld aus dem Sonderprogramm erhalten haben. Doch die KTI sträubt sich weiter.

Im Schnellzugstempo bewilligten 2011 die eidgenössischen Räte 100 Millionen FRanken für die angebliche darbende Exportwirtschaft. Diese malte wegen des starken Frankens den Teufel an die Wand, National- und Ständeräte öffneten die Schatulle. Wer aber aus diesem Sonderprogramm 2011 wieviel Geld erhalten hatte, wollte die KOmmission fpr Technologie und Innovation (KTI) nicht sagen. Gegenüber dem Beobachter verweigert sie seit zwei Jahren Einsicht in zwei Listen: Jene mit den Firmen, die Geld aus dem Topf erhalten haben und jene, die nichts erhalten haben.

Jetzt stellt sich der eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte vollumfänglich hinter den Beobachter. Datenschützer Hanspeter Thür kommt zum Schluss, es sei «nicht nachvollziehbar», weshalb die KTI die Listen unter Verschluss halte. «Es kann kaum je möglich sein, ein überwiegendes privates Interesse an der Geheimhaltung eines gesamten Verwaltungszweiges, nämlich der Innovationsförderung durch die KTI, vernünftig zu begründen.» Ein von der Förderagentur ins Feld geführten Reputationsschaden für die betroffenen Firmen im Fall einer Bekanntgabe ihrer Namen «entbehrt sogar jeglicher Grundlage». Der vollständige Bericht des Datenschützers findet sich hier.

Doch statt dem Beobachter die Listen herauszurücken, verzögert die KTI das Prozzedere weiter. Vollständiger Artikel auf Beobachter-Online.

Written by Otto Hostettler

24. Februar 2014 at 11:49

Die Menschenversuche von Münsterlingen

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Der Schweizer Psychiater Roland Kuhn gilt als «Vater der Antidepressiva». Doch dieser Ruhm gründet auf Hunderte von ahnungslosen Patienten. Betroffene leiden bis heute, Todesfälle wurden nie untersucht.

titel3Während Jahrzehnten liess die Pharmaindustrie neue Wirkstoffe  an nicht zustimmungsfähigen Kranken und Kindern testen. Recherchen des Beobachters zeigen erstmals das Ausmass solcher Medikamentenversuche: In der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen TG verabreichte der Psychiatrieprofessor Roland Kuhn über Jahrzehnte hinweg seinen Patienten nicht bewilligte Substanzen. Die Tests dienten unter anderem zur Entwicklung des ersten Antidepressiva, das noch heute als Tofranil im Handel ist. Die Pharmaindustrie verdankt Kuhn Milliardenumsätze.

Die Recherche war aufwändig: Dokumente gefunden habe ich vor allem im Staatsarchiv Thurgau, bei Swissmedic und im Medizinhistorischen Archiv. Dazu habe ich ein halbes Dutzend nationale und internationale Publikationen ausgewertet, mit Betroffenen und früheren Angestellten gesprochen. Die Informationen und Erkenntnisse ergeben ein erschreckendes Bild:

  • Dokumentiert sind mindestens 1600 Fälle von Medikamentenversuchen (vor allem Largactil, Imipramin/Tofranil, Ketoimipramin, Maprotilin/Ludiomil sowie zahlreiche Derivate dieser Substanzen)
  • die Versuche deckten eine Zeitspanne von über 30 Jahren ab
  • im wichtigsten Versuch verbrauchte der Psychiater 20’000 Pillen und 1000 Ampullen – pro Monat. Zusammengerechnet verabreichte er seinen Patienten in diesem Jahresversuch mindestens 6 Kilogramm des Wirkstoffs
  • dokumentiert sind Versuche an schwer depressiven Schwangeren
  • Versuche an schwer Kranken

«Die Experimente des Dr. Kuhn», Beobachter 3/2014;

Nationalrat bremst bei der Transparenz von Parteispenden

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Die Schweiz wird sich weiterhin von internationalen Gremien für die intransparente Parteienfinanzierung kritisieren lassen müssen: Die Rechtskommission des Nationalrats will den Schleier nur einen Spalt breit öffnen.

In der Schweiz haben es Bemühungen für mehr Transparenz bei Parteispenden weiterhin schwer. Nach wie vor herrscht im Gegensatz zu anderen Ländern weitgehend Unkenntnis darüber, wenn Unternehmen Politiker, Parteien oder Kampagnen finanzieren. Neuster Rückschlag im Bestreben nach mehr Transparenz: Die vorberatende Kommission für Rechtsfragen des Nationarats lehnt eine parlamentarische Initiaitve des parteilosen Schaffhauser Ständerats Thomas Minder ab. Minder fordert, börsenkotierte Unternehmen und Unternehmen der öffenlichen Hand müssten finanzielle Zuwendungen an Parteien, Verbände und Kampagne in ihren Geschäftsberichten offen legen. Für Spenden über 10’000 Franken verlangt Minder sogar, dass die Empfänger detailliert veröffentlicht werden.

Während die Rechtskommission des Ständerats Minders Forderung letztes Jahr noch zustimmte, unterlag er nun in der Rechtskommission des Nationalrats knapp: Mit 10 gegen 9 Stimmen (bei fünf Enthaltungen) stellt sich das Gremium dagegen. Stattdessen will er einen eigenen Vorschlag ausarbeiten. Demnach sollen lediglich Firmen, die mehrheitlich im Besitz der öffentlichen Hand sind, Spenden an politische Einzelakteure, Parteien und Organisationen offen legen müssen. Mit dieser Regelung müssten immerhin Unternehmen wie beispielsweise Swisscom, SBB, Post oder auch die halbstaatlichen Stromkonzerne ihre Geldzuschüsse an politische Akteure und Organisationen veröffentlichen.

Mit diesem Entschei steht die Schweiz international weiterhin abseits. Wegen der intransparenten Regelung wird die Schweiz seit Jahren immer wieder von internationalen Gremien kritisiert, etwa von der Antikorruptionsbehörde Greco.

Written by Otto Hostettler

25. Januar 2014 at 17:54

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Ständeräte wollen kein Lobbyregister – warum auch?

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Die vorberatende Ständeratskommission will Lobbyisten nicht in einem speziellen Register erfassen. So bleiben auch ihre Verbindungen zu diesen Interessensvertretern weitgehend unter dem Deckel.

Die staatspolitische Kommission des Nationalrats hatte sich noch hitner ein neues Lobbyregister gestellt, in der vorberatenden Kommission des Ständerats hatte die parlamentarische Initiaitve von FDP-Nationalrat Andrea Caroni keine Chance. Die staatspolitische Kommission lehnte die Änderung mit 8 gegen 3 ab. Argumentiert wurde mit dem «erheblichen bürokratischen Aufwand» der mit einem Lobbyregister verbunden wäre. Angeblich würde ein solches Akkreditierungssystem zu noch mehr Lobbyisten führen.

Caronis Vorschlag: Lobbyisten, die Zugang zu den nicht öffentlichen Bereichen des Bundeshauses wollen, müssten sich registrieren – und dabei auch Ihre Arbeitgeber und Mandate offen legen. Heute müssen sie nur eine allgemeine Funktion angeben, PR-Büros und Anwälte können damit ihre Auftraggeber verschleiern. Das heutige System führt auch dazu, dass sich Lobbyisten kühn als «Gäste», «persönliche Mitarbeiter» oder «Geschäftsführer» figurieren. Kontrolliert werden die Angaben nicht. Siehe «Mischler im Bundeshaus».

Welche Ständeräte sich gegen mehr Transparenz wehren,  ist nicht bekannt. Klar ist nur, die Mitglieder der staatspolitischen Kommission des Ständerats verfügen über eine Vielzahl von Verbindungen zu Firmen, Verbänden, Organisationen und Lobbyisten. Einigen von ihnen wird es recht sein, dass sie weiterhin im Halbschaten agieren können:

Robert Cramer, Kommissionspräsident, Grüne:
Ermöglicht Zugang zum Bundeshaus für:
Felix Wirz, Ecopolitics (zahlreiche Mandate im Bereich Ökologie und Mobilität)

Fabio Abate, FDP
Ermöglicht Zugang zum Bundeshaus für:
Vincenzo Pedrazzini, Vizepräsident FDP Schweiz, Anwalt, Pedrazzini Holding AG.
Pascale Bruderer, FDP:

Raphaël Comte, FDP:

Verena Diener, Grünliberale:
Ermöglicht Zugang zum Bundeshaus für:
Ronny Kaufmann, Schweizerische Post, Leiter Public Affair & Corporate Responsibility

Christine Egerszegi, FDP:
Ermöglicht Zugang zum Bundeshaus für:
Hanspeter Konrad, Schweizerischer Pensionskassenverband ASIP.

Christof Engler, CVP:
Ermöglicht Zugang zum Bundeshaus für:
Fadri Ramming, Regierungskonferenz der Gebirgskantone (RKGK)
;
Thomas Egger, Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für das Berggebiet (SAB)

Peter Föhn, SVP:

Filippo Lombardi, CVP:
Ermöglicht Zugang zum Bundeshaus für:
Maria Luisa Bernini Burkard, Swiss Communication Agency

Rudolf Wyder, Auslandschweizer Organisation

Thomas Minder, Parteilos:

Paul Niederberger, CVP:
Ermöglicht Zugang zum Bundeshaus für:
Roger Hegi, Sport-Toto-Gesellschaft
Fredy Müller, MUELLER Consulting & Partner

Urs Schwaller, CVP:
Ermöglicht Zugang zum Bundeshaus für:
Georges Spicher, Verband Schweizer Zementindustrie
Christian Castella, Fédération des Entreprises Romandes


Hans Stöckli, SP:
Ermöglicht Zugang zum Bundeshaus für:
Louis Perron, Perron Campaigns

(Persönliche Mitarbeiter und Gäste aus Familie nicht aufgeführt)

Written by Otto Hostettler

26. November 2013 at 08:40

Mischler im Bundeshaus

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Sie nennen sich «Gäste» oder «persönliche Mitarbeiter» – in der Tat sind sie aber Lobbyisten. Für wen sie arbeiten, bleibt oft unklar. Eine unvollständige Liste.

Eine Stichprobe des «Beobachters» zeigt: Mindestens 25 PR- und Public-Affair-Firmen gehen im nicht-öffentlichen Teil des Bundeshauses ein und aus – klassische Lobby-Verbände wie Hauseigentümer, Gewerbeverband, Economiesuisse etc nicht eingerechnet. Die PR-Agenturen profitieren von einem Passus im Parlamentsgesetz, wonach jeder Parlamentarier zwei Personen Zutritt zum Bundeshaus gewähren kann. Diese Gäste müssen sich zwar registrieren, brauchen dabei aber nur ihren Namen und ihre Funktion bekannt zu geben. Kontrolliert werden diese Angaben von den Parlamentsdiensten aber nicht. Auch ihre Mandate und Auftraggeber müssen sie nicht offen legen.

In der aktuellen Liste der Zugangsberechtigten tauchen folgende PR-/Lobby-Agenturen auf:

 

Agentur  Mandate/Kunden (Eigendeklaration/Recherche Beobachter) 
Zenhäusern & Partner AG, Zürich Clariden Leu, TUI, Credit Suisse, Luzerner Kantonalbank, Swiss Quality Hotels International, Oracle Software, Matterhorn-Gotthard-Bahn, Walliser Kantonalbank, UBS, Privatbank IHAG, Versicherungen
Dynamics Group Forum Gesundheit, ?
Burson-Marsteller AG BAG (Kampagne Sensibilisierung Chemikalienkennzeichnung), Nuklearforum, ?
MLB Communications Marie-Louise Baumann, VR-Präsidentin Burson Marsteller, ?
Farner Consulting Swisscard AECS AG, Microsoft, Öko-Energie-Blog Basel, Post, Jobs.ch, Swisscom
Estermann Consulting ?
GEO Consulting Group AG ?
pluswert GmbH Umweltverbände, Seco, Bio Suisse, Pro Natura, WWF, Migros Bio, Fairtrade
ThinkArt Consulting ?
Köhler, Stüdeli und Partner GmbH Public Health (Dachorganisation Gesundheitsbereich), Galenica, Dachverband Komplementärmedizin, IG, Phytotherapie etc. 
PAE-PAC Public Affairs & Communications Metrobasel, trinationale Region, zuständig für Beziehungen zum Bund
Hirzel.Neef.Schmid.Konsulenten TCS, Saab (Grippen), ?
Furrer.Hugi&Partner AG Aldi, Google, Post, Auto-Schweiz, FMH, Mc Donald’s, Swisscom, Swisslos, Verband Schweizer Vermögensverwalter, SRG IG Seltene Krankheiten
Rohr Communications Ägyptisches Tourismusministerium, Swisscom, Avenir Suisse, J.P. Morgan Privat Bank, Deutsche Telekom, Miss Bern
Studerus und Partner AG, Zug AVES, Aktion für eine Vernünftige Energiepolitik
Maurer Partner Communication AG Ciba Spezialitäten Chemie, Swiss DRG (Vereinigung im Gesundheitsbereich zur Einführung der Fallpauschalen), Domicil (Altersheime), Entente Bernoise
KM Konsulta ?
Büro für Sprache und Politik Seilbahnprojekt Rothenflue
Ecopolitics GmbH Angestellte Schweiz, Erklärung von Bern, Greenpeace, Krebsliga, Pro Nautra, Sanu, Schweizer Tierschutz, Energiestiftung, Fischerei-Verband, VCS, WWF
Hotz Communications AG Familienplattform, Politarena
Dreizweieins.ch Steg Computer, Wasserkraftwerk EnBAG (Simplon), SwissFur, Bankiervereinigung, Pensionskassenverband ASIP, Matterhorn-Gotthard-Bahn
Swiss Communication Agency Handelskammer Lugano, Swiss Venture Club, Publicita Svizzera Italiana
Mueller Consulting & Partner ? (div. Gesundheit, Pharma, Finace, Retail, Energie, Verkehr, Sicherheit)
Peron Campaigns ?

Den vollständigen Artikel lesen Sie im Beobachter 18/2013.

Wie die Lobbyfirmen auf die Arbeit der Kommissionen von Naitonal- und Ständerat einfliessen, zeigt «Der Befangenenchor» (Beobachter 21/2012).

Written by Otto Hostettler

4. September 2013 at 16:02

Veröffentlicht in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft

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Rüffel für Geheimniskrämer

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Das Bundesamt für Landwirtschaft muss dem Beobachter eine Liste der Milchverarbeiter herausrücken, die monatlich mehr als 100’000 Franken Subventionen erhalten. Dies entschied der eisgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftrage Hanspeter Thür.

käselaibe im reiferaumDie Geheimnistuerei hat ein Ende: Anderthalb Jahre lang verhinderte das Bundesamt für Landwirtschaft, dass die Öffentlichkeit erfährt, wer bei der Käseherstellung von staatlichen Geldern profitiert. Jetzt kommt der Beauftragte für Datenschutz und Öffentlichkeit Hanspeter Thür zum Schluss: Die oberste Landwirtschaftsbehörde verstösst mit ihrem Vorgehen gleich in mehreren Punkten gegen das Öffentlichkeitsgesetz. Es muss nun dem Beobachter die Liste aller Milchverarbeitungsbetriebe aushändigen, die monatlich mehr als 100’000 Franken dieser Verkäsungszulage beziehen. Und dies erst noch ohne horrende Kosten zu verrechnen. Ursprünglich verlangte das Bundesamt für eine komplette die Liste aller Subventionsempfänger vom Beobachter eine absurde Gebühr von 275’000 Franken. Kommt das Bundesamt der Aufforderung des Datenschützers nicht nach, wird das Bundesverwaltungsgericht entscheiden müssen.

Thürs Entscheid kommt einer Ohrfeige an die Landwirtschaftsbehörde gleich. Denn das Bundesamt hatte in letzter Zeit gleich mehrfach versucht, wichtige agrarpolitische Informationen unter dem Deckel zu behalten – jeweils nach dem gleichen Muster: Das Amt verlangte so hohe Gebühren, dass Journalisten ihre Informationsbegehren zurückzogen.

Das Bundesamt begründete seine Berechnung im Fall des Beobachters mit dem Aufwand, jeden Subventionsbezüger vorgängig zu kontaktieren. Das Amt machte für jeden der 2500 Geldempfänger eine Stunde Aufwand à 100 Franken geltend und rechnete Portokosten von 25’000 Franken dazu. Auch für die Liste der 49 wichtigsten Betriebe, die alle monatlich mehr als 100’000 Franken Subventionen erhalten, wollte das Bundesamt für Landwirtschaft dem Beobachter noch 5300 Franken verrechnen – plus 1800 Franken, um die Informationen der Datenbank in eine Liste zu übertragen. Gemäss Thür ist der  Verwaltungsaufwand «unangemessen» und die Gebührenberechnung  «unverhältnissmässig und geradezu stossend».

«Eine solche Errechnung der Gebühr hat objektiv betrachtet eine offensichtlich abschreckende Wirkung für potenzielle Gesuchsteller», schreibt Thür in seinem Entscheid. Zu den Portokosten hält er fest: «Die effektive Verrechnung der Versandkosten würde den Zugang zu amtlichen Dokumenten praktisch verunmöglichen.» Thür geht sogar noch einen Schritt weiter, das Bundesamt müsste die Subventionsempfänger nicht einmal konsultieren, weil mit der Bekanntgabe der Subventionen deren Privatsphäre nicht verletzt werde. Denn: «Es besteht ein eminentes öffentliches Interesse zu wissen, wer Zulagen für verkäste Milch (…) erhalten hat und ob mit den getätigten Zulagen die gesetzlich gewollten Wirkungen erzielt werden konnten.»

Kommt das Bundesamt für Landwirtschaft der Aufforderung des Datenschützers nicht nach, wird das Bundesverwaltungsgericht darüber entscheiden müssen.

 

Den vollständigen Artikel lesen Sie im Beobachter 17/2013.

Bild: © contrastwerkstatt – Fotolia.com
 

Written by Otto Hostettler

16. August 2013 at 12:03

Ciba-Geigy importierte jahrelang DDR-Möbel

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Ciba-Geigy liess sich Medikamentenlieferungen in die DDR jahrelang in Möbeln bezahlen – die wahrscheinlich auch von politischen Häftlingen produziert worden waren.

cibaCiba-Geigy, heute Novartis, importierte jahrelang für Millionenbeträge Möbel aus der DDR in die Schweiz und verkaufte sie hier weiter. Der Pharmakonzern liess sich so von der maroden Diktatur Medikamentenlieferungen bezahlen. Die Möbel, wahrscheinlich auch von politischen Strafgefangenen zusammengebaut, landeten unbemerkt im Schweizer Fachhandel, wie Recherchen des BEOBACHTERS zeigen.

Während die allermeisten Möbelimporteure einen grossen Bogen um die DDR machte, schleuste Ciba-Geigy über diskrete Wege die Möbel in den Fachhandel. Weil die DDR-Möbelfabriken chronisch unter Arbeitskraftmangel litten, setzten sie oft auch Strafgefangene für die Produktion ein. Zum Einsatz kamen sowohl kriminelle als auch politische Häftlinge, wie vor kurzem eine Untersuchung zur Vergangenheit des Möbelkonzerns Ikea festhielt.

Ciba und Sandoz, heute gemeinsam Novartis, hatten beste Beziehungen zum DDR-Machtapparat, höchste Staatsvertreter wurden von der Basler Chemie exklusiv empfangen.

Aber auch die übrige Schweizer Wirtschaft hofierte den Führern der DDR und wollte mit dem Regime ins Geschäft kommen. Dokumente über ein Geheimtreffen im Zürcher Nobelhotel «Baur au Lac» vom 6. Dezember 1977, die dem BEOBACHTER vorliegen, zeigen: Die Direktoren aller Schweizer Grossbanken sassen mit DDR-Staatssekretär Gerhard Beil am Tisch, Maschinenindustrie, Textilindustrie und Uhrenindustrie mussten am Nebentisch Platz nehmen.

Den vollständigen Artikel lesen Sie im Beobachter 14/2013.

(Bild: Auszug aus Schreiben von Ciba-Geigy vom 22. Mai 1978; Archiv für Zeitgeschichte, Zürich)

Written by Otto Hostettler

11. Juli 2013 at 09:56

Wo die Pharma-Gelder hinfliessen

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Die grossen Pharmakonzerne lassen sich ihnen wohlgesinnte Selbsthilfegruppen jedes Jahr Millionen kosten.

Tabletten auf weißem UntergrundFür jede erdenkliche Krankheit gibt es eine Selbsthilfegruppe, die Liste umfasst weit über 100 Vereinigungen. Doch sind sie tatsächlich in erster Linie für die Patienten da oder dienen sie nicht vielmehr den Pharma-Konzernen – als verlängerter Arm der Marketingabteilungen?

Eine Erhebung unter den 17 grössten Pharma-Unternehmen mit Schweizer Niederlassung zeigt: Sie lassen ihre Sponsoring-Gelder praktisch ausschliesslich jenen Vereinigungen zukommen, die sich um Krankheiten kümmern, für die die jeweiligen Konzerne auch Medikamente und Therapien anbieten. Sprich: sie unterstützen ihnen wohlgesinnte Vereinigungen. Kritiker behaupten, genau dies zeige, dass viele dieser Selbsthilfegruppen lediglich ein verlängerter Arm der jeweiligen Marketingabteilung seien.

Die Auswertung der Sponsoring-Vergabepraxis zeigt zudem: Die neue Transparenzregel, die sich die pharmazeutische Industrie auferlegt hat, funktioniert nur schlecht: Sieben der 17 analysierten Firmen lieferten unvollständige, veraltete oder gar keine Angaben über ihre Zuwendungen an Selbsthilfegruppen. Bei fast jedem der untersuchten Konzerne finden sich zudem teils gravierende Fehler. Dazu kommt, dass die Pharma-Konzerne die neue Pflicht zur Transparenz eigenartig interpretieren: Sie weisen zwar Sponsoring-Gelder aus, nicht aber Zuwendungen an Organisationen in Form von Inseraten in deren Publikationen oder als klassische Spenden. Eine Stichprobe zeigt: die Zuwendungen der Pharma an die Selbsthilfegruppen können gut und gerne doppelt so hoch sein wie offiziell deklariert.

Problematisch: In einem Fall zeigt die Recherche, dass die Mitbesitzerin einer medizinischen Dienstleistungsfirma auch gleich noch im Vorstand jener beiden Selbsthilfegruppen sitzt, deren Mitglieder explizit als Zielgruppe ihrer Kundschaft definiert ist. Die Organisation selber behauptet trotz der offensichtlichen Interessenkollision: «Wir sind vollständig unabhängig, das hat überhaupt keinen Einfluss.»

Der vollständige Bericht über die Pharma-Millionen findet sich im Beobachter 13/2013 (Beo_13_10_013_Pharma-Sponsoring)

(Bild: © psdesign1 – Fotolia.com)
 
 

Written by Otto Hostettler

17. Mai 2013 at 07:36

Entschuldigung kann nur der erste Schritt sein

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Jahrelang mussten sich tausende von Frauen und Männern dafür rechtfertigen, dass sie als Kinder und Jugendliche in Heimen, Anstalten und Gefängnissen versorgt waren. Jetzt sollen sie mit einem öffentlichen Anlass in Bern zumindest symbolische Genugtuung erfahren. Reicht das?

10-10-titelbildSie wurden im Kinderheim von Nonnen geschlagen, von Heimleitern missbraucht, sie wurden verdingt, in Anstalten versorgt oder sogar zur «Nacherziehung» in Gefängnissen gesteckt – ohne jemals von einem Gericht verurteilt worden zu sein. Sie landeten in Hindelbank (BE), in Bellechasse (FR), auf dem Tessenberg (BE) und mussten sich ein Leben lang dafür rechtfertigen. Ihr einziger Makel war: Sie oder ihre Eltern waren angeblich «arbeitsscheu» oder führten ein «liederliches Leben». Wurden Frauen unverheiratet schanger, wurden sie zwangssterilisiert, machmal ohne ihr Wissen. Oder die Behörde nahm ihnen die Kinder weg, oft ohne sie zu fragen.

Die Betroffenen dieser fürsorgerischen Zwangsmassnahmen sind längst 60, 70 oder gar über 80-jährig. Viele sind bis heute nicht über diese Ungerechtigkeiten hinweggekommen, sie fanden sich im späteren Leben nie zurecht und sind daran seelisch zerbrochen. Jetzt sollen diese Betroffenen Gerechtigkeit erfahren. Mit einem offiziellen Gedenkanlass für Verdingkinder, Heimkinder, administrativ Versorgte und Zwangssterilisierte will Bundesrätin Simonetta Sommaruga und wichtige Verbände sowie die Landeskirchen am 11. April 2013 im Kulturcasino Bern das Leid dieser Personen anerkennen. Dieser Gedenkanlass ist öffentlich, die Einladung findet sich hier (Einladung_Gedenkanlass_Deutsch).

Für viele Betroffene solcher fürsorgerischer Zwangsmassnahmen ist alleine dieser Gedenkanlass eine Genugtuung. Doch ebenso klar ist: Nur mit einer offiziellen Entschuldigung ist es nicht getan. Dieser Anlass kann nur der erste Schritt sein in einer umfassenden Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels des Schweizer Sozialstaats. Es braucht eine breite historische Aufarbeitung, wie es beispielsweise das geplante Gesetz zur Rehabilitierung der administrativ Versorgten vorsieht. Nicht vom Tisch ist auch die Rehabilitierung der Zwangssterilisierten, die bereits vor einigen Jahren geplant war, dann aber vom Parlament als fertige Gesetzesvorlage schubladisiert wurde. Und schliesslich wird die Schweiz auch nicht darum herum kommen, Betroffenen finanzielle Widergutmachung zu leisten. Sei es auch nur in Form eines Härtefall-Fonds.

«Schöne Worte genügen uns nicht»; Verdingkinder und Zwangssterilisierte leiden noch heute – ein Hilfsfonds muss her. Beobachter 21/2011.

 

Informationsverweigerung per Phantasiegebühr

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Das Bundesamt für Landwirtschaft will dem «Beobachter» für eine Liste von Subventionsempfänger eine Gebühr von 275’000 Franken verrechnen.

Seit einem Jahr verweigert das Bundesamt für Landwirtschaft dem «Beobachter» Informationen über die Empfänger der so genannten Verkäsungszulage, einem 300-Millionen-Franken schweren Subventionstopf der Landwirtschaft. Es handle sich um «geschützte Personendaten», die zudem nicht von öffentlichem Interesse seien. Die Verkäsungszulage ist ein zentrales Instrument der neuen Milchmarktordnung und damit ein wichtiges Element der Landwirtschaftspolitik. Ausbezahlt wird die Zulage Käsereien und Milchverarbeitern. Ob mit dieser Zulage aber tatsächlich der Milchpreis gestützt wird und die Bauern profitieren, ist unklar.

Der Beobachter akzeptiert die Verweigerung der Landwirtschaftsbehörde nicht und gelangte an die Schlichtungsstelle des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten. Denn seit über sechs Jahren gilt in der Schweiz das Öffentlichkeitsgesetz mit dem Ziel, die Transparenz der Verwaltung zu erhöhen. Noch bevor aber die Schlichtungsverhandlung stattgefunden hat, wählte das Bundesamt vorsorglich eine neue Strategie: Es will für den Fall, dass der Öffentlichkeitsbeauftragte ein öffentliches Interesse an den Empfängern der Milchsubventionen erkennt, eine Gebühr von 275’000 Franken für die Daten verrechnen.

Doch wie kommt das Bundesamt auf diese absurd hohe Gebühr für eine einfache Auskunft? Die Rechnung geht so: Bevor die Liste herausgegeben werden könne, müssten sämtliche 2500 Subventionsempfänger schriftlich «angehört» werden, behauptet die Behörde. Für jeden Subventionsempfänger rechne man mit einem Aufwand von einer Stunde à Fr. 100.–. «Wir müssen von einem Gesamtaufwand von 2500 Stunden ausgehen.» Dazu kämen Portokosten von 25’000 Franken, für jeden Milchverarbeiter zwei eingeschriebene Briefe. Müsste für diese Liste tatsächlich 275’000 Franken bezahlt werden, würde der «Beobachter» dem Bundesamt für Landwirtschaft etwa für drei Jahre eine Bürofachkraft finanzieren.

Den vollständigen Artikel lesen Sie im Beobachter 5/2013.

Written by Otto Hostettler

7. März 2013 at 14:02